
Heutzutage brauchen wir ein sicheres Auftreten, müssen überall dabei sein und sollten vor allem reden können.
Wir müssen selbstbewusst und zielsicher unsere Ideen vortragen und Entspannung wird höchstens mal dazwischengeschoben. Ansonsten haben wir keine Chancen.
Im Alltag nicht, in zwischenmenschlichen Beziehungen nicht und im Job schon mal gar nicht.
Stimmt das?
Es scheint fast so. Zumindest wird es uns schon von klein an so suggeriert.
Nur, was ist, wenn das alles nicht so „Unser Ding“ ist?
Wenn Small Talk uns zuwider ist, große Menschenmassen uns auslaugen und uns zwar jede Menge Ideen im Kopf rumgeistern, wir aber Probleme haben, damit „hausieren“ zu gehen?
Was ist, wenn wir introvertiert sind?
Erst mal muss ich ganz klar sagen: Genau wie es im Leben nicht nur Schwarz oder Weiß gibt, gibt es auch nicht den introvertierten Menschen, auf den 100 % alle Merkmale zutreffen, an denen man (!) (angeblich) introvertierte Personen erkennt. Und es gibt natürlich auch nicht den Extravertierten.
Es gibt Menschen, bei denen die introvertierten Eigenschaften überwiegen und es gibt Menschen, bei denen die extravertierten Eigenschaften überwiegen. Bei den einen mehr, bei den anderen eben weniger. Und manchmal ist das alles auch tages- oder situationsabhängig.
Es ist mir aber wichtig, klar zu machen, dass keine dieser Eigenschaften die bessere ist. Jede hat ihre Besonderheiten. Und genau diese Besonderheiten sollten angenommen und nicht bekämpft werden.
Introversion ist ein Persönlichkeitsmerkmal und kein Stigmata
Es gibt ja mittlerweile unzählige Tests, mit denen wir herausfinden können, ob, und wenn ja, inwieweit wir introvertiert sind.
So ein Test ist auch (erst mal) vollkommen ok.
Einfach deswegen, damit wir wissen, wo wir dran sind und wo wir ansetzen können. Auch damit wir vielleicht endlich wissen, warum in unserem Leben so viel, ich sag mal, anders gelaufen ist, als es „normal“ zu sein scheint.
Aber heutzutage wird ja gerne alles nochmal unterteilt. Bei den Introvertierten gibt es dann die Nerds, die sensiblen Introvertierten, die Analysten, die Kreativen, die eher schüchternen Intros und … und … und.
Das sind mir, ehrlich gesagt, zu viele Schubladen.
Und wenn wir dann auch noch anfangen, uns selber einen Stempel aufzudrücken, verlieren wir den objektiven Blick auf unsere Situation und letztendlich auch auf uns selbst.

Ist es nicht viel sinnvoller, uns für unsere Bedürfnisse zu öffnen.
Und nicht für die Bedürfnisse, von denen irgendjemand (wahrscheinlich ein "Experte") sagt:
„Das sind die Bedürfnisse introvertierter Menschen“.
Natürlich können (und sollten) wir an der einen oder anderen Schwäche arbeiten. Viel wichtiger ist es aber doch, unsere ganz persönlichen Stärken hervorzuholen und sie zu einem wundervollen und unverwechselbaren Markenzeichen zu machen.
Ich weiß, das hört sich erst einmal ganz toll an und ich weiß auch, dass das alles andere als einfach ist. Glaub mir, ich weiß es wirklich. Denn selbst, wenn wir Intros wissen, was gut für uns ist, laufen wir doch viel zu oft Gefahr, uns für unsere Bedürfnisse zu schämen und/oder uns dafür zu entschuldigen.
Nur zu oft dachte ich: „Mensch, wenn ihr wüsstet, was für geniale Erkenntnisse aus meinen In-mich-gekehrt-Phasen hervorkommen. Ihr würdet staunen.“ Dann dachte ich wieder: „Na, dann sag es ihnen doch.“ Und dann: „Äh …!“ Tja … hängen im Schacht.

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