Ratgeber für Introvertierte – warum sich da bei mir erst einmal die Nackenhaare sträuben

 

Grob gesagt gibt es für die Introvertierten zwei Arten von Ratgebern: Die einen wollen ihnen erklären, wie sie extravertierter werden, die anderen geben Tipps, wie sie lernen, ihre eigenen Stärken herauszufinden und zu fördern. 

Ich brauche euch wohl nicht zu verraten, welche Art Lektüre ich bevorzuge.

Hat irgendjemand schon mal einen Ratgeber in der Hand gehabt, der extravertierten Menschen Tipps gibt, wie sie sich in einer introvertierten Welt anpassen können? Wahrscheinlich eher nicht.

Früher habe ich extravertierte Menschen immer bewundert. Und ich denke, das geht vielen Introvertierten so.

 

Ja, ich bin auch heute noch davon beeindruckt, wenn Leute auf Fragen sofort eine Antwort haben und stundenlang erzählen können (sofern sie auch tatsächlich etwas zu sagen haben).

 

Nur damals führte diese Bewunderung häufig (sehr häufig) dazu, dass ich so sein wollte, wie jemand anderes. Heute weiß ich, dass das der größte Fehler war, den ich in meinem Leben gemacht habe. Aber ich wusste es halt nicht anders.

 

Schließlich wurde mir ja auch laufend von außen bestätigt, dass ich mit meiner ruhigen Art in meinem Leben nicht weiterkommen würde. 

 

Viele Ratgeber, aber keiner hat geholfen

Dementsprechend habe ich dann auch einige Ratgeber gelesen. Die meisten zum Thema Kommunikation und Rhetorik, aber auch einige über Schüchternheit (viele Introvertierte denken es wäre Schüchternheit, wenn sie keine Worte finden, oder wenn sie sich zwischen vielen Menschen nicht wohlfühlen). 

 

Wirklich weitergeholfen hat mir keiner davon. Wie denn auch? So richtig schüchtern bin ich ja gar nicht. Das weiß ich aber auch erst, seitdem ich mich mit meiner Introversion auseinandergesetzt habe.

 

Reden konnte ich nach diesen Lektüren natürlich auch nicht besser. Es ist ja nicht so, dass ich mich nicht trauen würde zu reden. Da ist nur einfach nichts da, was raus will. Und viele Dinge sind in meinen Augen auch einfach nicht wichtig genug, um gesagt zu werden.

 

Mag sein, dass es sich jetzt ein wenig arrogant anhört, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Extravertierter einem Introvertierten das Reden „beibringen“ kann. Falls jemand anderer Meinung ist oder Erfahrungen gemacht hat, würde mich das sehr interessieren.

 

Ohne jetzt irgendjemandem etwas unterstellen zu wollen, würde ich mal behaupten, die „Experten“, die introvertierte Menschen für ein extravertiertes Leben fit machen wollen sind:

  • extravertiert,
  • vollkommen ahnungslos, wie es in einem Introvertierten aussieht bzw. was in ihm vorgeht,
  • davon überzeugt, dass Extravertiertheit die „bessere“ Persönlichkeitseigenschaft ist,
  • demnach auch von sich selber überzeugt.

Es gibt keine "Generallösung"

Nun versteht mich bitte nicht falsch. Es geht mir hier nicht darum, die Extraversion zu verteufeln und/oder die Introversion in den Himmel zu heben. Es geht mir darum, klarzumachen, dass beide Seiten ihre Daseinsberechtigung haben.

 

Ich denke, keine der beiden Eigenschaften kann ohne die andere existieren. >>> so wie Yin und Yang.

 

Vor allem will ich aber auch klarmachen, dass Ratgeber grundsätzlich nicht so ausgelegt sein sollten, dass sie nur einen einzigen richtigen Weg aufzeigen.

 

Da jeder Mensch einzigartig ist, ist auch jedes Problem einzigartig. Wie kann es dann also eine Universallösung für alle geben? 

 

Auch nicht besser oder sogar noch schlimmer: Bedienungsanleitungen für introvertierte Personen

Mindestens genau so gruselig, wie die Ratgeber, die den Introvertierten Tipps geben wollen, wie sie extravertierter werden können, finde ich übrigens die "Experten", die den Extravertierten eine „Gebrauchsanweisung“ für uns Introvertierte geben wollen.

 

Hey, wir sind doch keine Waschmaschine. Wir müssen doch nicht mit einer Bedienungsanleitung versehen werden.

 

An die Introvertierten sei allerdings gerichtet: Ihr müsst euch auch nicht unbedingt selber mit einem Beipackzettel versehen. So nach dem Motto: Ich bin anders als ihr, bitte geht vorsichtig mit mir um.

 

Ihr könnt euch genau so durchsetzen, wie die Extravertierten. Nur eben auf eine andere Art und Weise. Dafür müsst ihr euch aber erst einmal selbst so akzeptieren, wie ihr seid.

>>> Eure ganz eigenen Stärken herausfinden und sie einsetzen.

Und zwar auf die, euch schon in die Wiege gelegte, beharrliche Weise. Zwar nicht laut, dafür aber mit Bedacht und nachdrücklich. 

>>> Glaubt an euch. Denn wenn ihr das tut, werden es die anderen auch tun.

 

Ich hoffe, dieser Beitrag konnte euch ein wenig inspirieren oder sogar weiterhelfen. Wenn ihr jemanden kennt, mit dem ihr ihn teilen wollt, sage ich von ganzem Herzen

>>> DANKE

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Kommentare: 1
  • #1

    Timo (Mittwoch, 17 März 2021)

    Wow, vielen Dank für den Beitrag. Du redest mir wirklich aus der Seele :)